Wie gefährlich sind Reichsbürger? – Antworten auf eine wachsende Bedrohung

SPD Neuried

06. Mai 2023

“Wie entwickelt sich die Reichsbürgerbewegung”, fragt die Moderatorin und Landtagskandidatin Christine Himmelberg eingangs ihre zwei Gäste und Parteikollegen, Florian Ritter – Rechtsextremismus-Experte und langjähriger Landtagsabgeordneter – und Arno Helfrich – Kriminaloberrat und Bezirkstagskandidat. „Reichsbürger sind Leute, die sagen, Deutschland ist 1945 untergegangen, es gibt gar kein Deutschland, das hier ist eine Diktatur von fremden Mächten. Diese Personen wurden zuerst nicht voll genommen“, erklärt Ritter die ursprüngliche Praxis des bayerischen Verfassungsschutzes, der Reichsbürger lange ignoriert hat.

Das änderte sich 2016, als Polizeibeamte, die einen Reichsbürger - im Besitz von über 30 Schusswaffen - aufsuchten, „in einen regelrechten Hinterhalt“ gelockt wurden. Ein Polizist starb bei dem Einsatz. Ab da war klar, dass die Bedrohung ernst und real ist. „Ich habe eine Anfrage bei der bayerischen Staatsregierung gestellt, wie viele legale Waffen im Besitz von Menschen aus dem Reichsbürger-Milieu sind“, so Ritter weiter. „Es zeigt sich, dass die Szene sehr Waffen-affin ist.“

Aus dem druckfrischen Verfassungsschutzbericht – öffentliche Information – liest Ritter die Steigerung der Zahl registrierter Reichsbürger, die um ein Viertel von 2021 auf 2022 gestiegen ist. Die Corona-Proteste seien Wasser auf den Mühlen der Staatsfeinde gewesen, weil sie so ein breiteres Forum hatten. Viele Menschen waren sich nicht einmal bewusst, mit wem sie da auf der Straße waren. „Wie im Lockdown, als drei illegale Schulen gegründet wurden, ohne Maske, Noten, Druck - aber auch ohne offiziellen Lehrauftrag. Manche Eltern hören das und denken, da kommt mein Kind hin. Die wissen oft gar nicht, dass da Verfassungsfeinde dahinter stecken“, ergänzt Polizist Helfrich.

Himmelberg fragt den Bezirkstagskandidaten Helfrich: „Was sind das für Leute und wie können wir verhindern, dass sie mehr werden.“ Helfrich - ein Experte für polizeiliche Prävention und langjähriger Vorsitzender der SPD Ismaning – erklärt, dass Reichsbürgerei vor allem ein männliches Phänomen sei: „Reichsbürger sind die eine Bewegung, in der Aggressivität mit dem Alter zunimmt. Das sind Männer über 60, bei denen Prävention nicht mehr viel hilft. Wichtig sind Veranstaltungen, die die demokratische Mehrheit aufklären. Der Tod des Kollegen aus 2016 war eine Zäsur. Inzwischen kommt bei solchen Einsätzen das SEK, wenn wir denken, dass Waffen im Spiel sind.“

Ein besonders großes Problem: die Identifikation der Betroffenen. Bisher sei die Polizei bei der Identifikation von Reichsbürgern vor allem auf Zufallsfunde angewiesen. Menschen, die sich mit Fantasiedokumenten ausweisen wollen beispielsweise. „Vieles sehen wir natürlich auch nicht, weil es in irgendwelchen Messenger-Gruppen passiert, wo wir keinen Zugang haben.“, berichtet Helfrich aus dem Polizeialltag. Medienkompetenz ist für alle drei auf dem Podium ausschlaggebend. Menschen müssen lernen, Informationsquellen einzuordnen und zu vergleichen. „Nur weil einer irgendwas raushaut in solchen Messenger-Gruppen stimmt das nicht“, sagt Helfrich. „Hier müssen alle selbst tätig werden und sich anschauen, was sind das für Informationen. Teile ich die, hinterfrage ich die. Da müssen alle mithelfen, sonst sind wir verloren.“

Ein Mann im Publikum berichtet von einem guten Freund, der in diese Richtung abgedriftet sei und fragt, wie man solche Leute zurückholen kann. Ritter entgegnet: „Das wird schwer. Oft sind das enttäuschte Menschen. Und sie werden nicht zufriedener. Die denken, der starke Mann, die starke Frau, die machen in der Diktatur dann alles, was sie wollen.“ Himmelberg ergänzt: „Wenn ein Bekannter noch am äußeren Rand dieser Bewegung steht, versuchen sie auf die Person zuzugehen. Je tiefer ein Mensch in diese Ideologie einsteigt, desto schwieriger bis unmöglich wird die Rückholung.“

Zum Abschluss der Veranstaltung verweist Himmelberg auf die jahrzehntelange antifaschistische Tradition der SPD: "In bald 160 Jahren Parteigeschichte musste die SPD noch nie ihren Namen ändern. Keine andere Partei in Deutschland hat sich so sehr für die Demokratie und gegen faschistische und menschenfeindliche Strömungen eingesetzt. Gerade zum 90. Jahrestag der Machtübernahme der Nazis im Dritten Reich dürfen wir nie vergessen, wie es dazu kommen konnte. Das ist unser aller Verantwortung."

Christine Himmelberg

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